Die Kosten für eine Fachübersetzung können je nach Anbieter ganz erheblich variieren. Das liegt natürlich daran, dass jeder Freiberufler seine Preise selbst festlegt – bei Übersetzern gibt es keine Gebührenverordnung, noch nicht einmal mehr oder weniger offizielle Richtwerte. Außerdem hängt der Preis immer von Textsorte, Dateiformat, Sprache und Dringlichkeit ab. Schlussendlich muss jeder Übersetzer so wie jeder andere Freiberufler auch auf einen Stundensatz kommen, von dem er leben kann.
Der Stundensatz
Der Stundensatz eines Freiberuflers ist nicht mit dem Stundenlohn eines Arbeitnehmers vergleichbar. Ein Arbeitnehmer erhält in der Regel Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Urlaub; ferner übernimmt der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge zu Kranken- und Rentenversicherung. Darüber hinaus ist ein Arbeitnehmer sozialversichert und erhält im Fall der Arbeitslosigkeit ALG 1 – das alles haben Freiberufler nicht, wir sind für alles selbst zuständig. Ebenfalls selbst bezahlen müssen wir Arbeitsmaterial, Fortbildungen und nicht zuletzt die Miete für ein Arbeitszimmer mit den dazugehörigen Strom- und Heizkosten. Hinzu kommt, dass wir nicht für jede Stunde, die wir arbeiten, auch bezahlt werden; so gehen etliche unbezahlte Stunden pro Monat für Kundenakquise, Angebotserstellung, Rechnungsstellung, Buchhaltung usw. drauf. All das sind Stunden, die ein Arbeitnehmer bezahlt bekommen würde, ein Freiberufler jedoch nicht.
All diese Kosten fallen im Übrigen auch für einen Arbeitnehmer an – er bezahlt sie nur nicht selbst, das macht der Arbeitgeber. Insofern kostet eine Arbeitsstunde eines Arbeitnehmers auch deutlich mehr als das, was er monatlich auf sein Konto bekommt – diese Kosten werden jedoch vom Arbeitgeber getragen.
Was ist ein angemessener Stundensatz für einen freiberuflichen Übersetzer?
Ein angemessener Stundensatz für einen freiberuflichen Übersetzer dürfte bei mindestens 70 Euro liegen – zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Zum Vergleich: Laut JVEG (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz) beträgt der Stundensatz für einen Dolmetscher 85 Euro und für einen Sachverständigen 120 Euro. (Gute) Webdesigner berechnen um die 70 bis 80 Euro pro Stunde. Meine Kfz-Werkstatt ebenfalls. Alles zwischen 70 und 120 Euro sollte somit ein völlig normaler und angemessener Stundensatz für einen freiberuflichen Übersetzer sein.
Zeilen- und Wortpreise
Zeilen- und Wortpreise können auch bei gleichbleibendem Stundensatz variieren. Im Grunde muss ein Übersetzer abschätzen, wie lange er für den vorliegenden Text brauchen wird, die veranschlagten Stunden mit seinem Stundensatz multiplizieren und die Gesamtsumme durch die Anzahl der Zeilen bzw. Wörter teilen – so ermittelt sich der Zeilen- bzw. Wortpreis. Manche Texte sind recht einfach und lassen sich schnell übersetzen, während andere Texte zeitraubende Recherche oder ebenso zeitintensive Kreativität erfordern – Marketingtexte sind hierfür ein gutes Beispiel. Deshalb schwanken Zeilenpreise manchmal so stark. Der Stundensatz und damit der Verdienst des Übersetzers ändert sich dadurch nicht.
Bei Übersetzungen aus dem Deutschen wird meist nach Zeilen berechnet, einfach, weil deutsche Wörter höchst unterschiedlich lang sein können – da ist die Berechnung nach Zeilen fairer. In der Regel geht man, wie beim erwähnten JVEG, von 55 Zeichen inkl. Leerzeichen pro Zeile aus. Der BDÜ (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer – der größte Berufsverband für Dolmetscher und Übersetzer in Deutschland) führt alle paar Jahre eine Honorarumfrage durch, bei der Übersetzer aufgefordert werden, ihre durchschnittlichen Preise pro Stunde, Zeile und Wort anzugeben. Mir liegen leider nur die Ergebnisse dieser Honorarumfrage aus dem Jahr 2014 vor; bei einer Teuerungsrate von rund 2 % pro Jahr käme man aktuell für Übersetzungen aus dem Deutschen ins Englische auf einen durchschnittlichen Zeilenpreis von 1,80 Euro. Das JVEG geht ebenfalls von einem Zeilenpreis von 1,80 Euro aus – das passt also recht gut.
Bei Übersetzungen aus dem Englischen wird in der Regel nach Wort berechnet. Hier liegt der durchschnittliche Wortpreis laut besagter Honorarumfrage des BDÜ plus Teuerungsrate bei rund 0,18 Euro.
Fassen wir zusammen:
- Ein angemessener Stundensatz eines freiberuflichen Übersetzers liegt bei 70 bis 120 Euro
- Ein durchschnittlicher Zeilenpreis für eine Übersetzung aus dem Deutschen in eine „häufige“ Sprache (Englisch, Französisch, Spanisch …) liegt bei rund 1,80 Euro.
- Ein durchschnittlicher Wortpreis aus dem Englischen in eine „häufige“ Sprache (Deutsch, Französisch, Spanisch …) liegt bei rund 0,18 Euro.
Weitere Preisfaktoren
Die genannten Wort- und Zeilenpreise sind nur Durchschnittswerte. Der tatsächliche Wort- oder Zeilenpreis, den ein freiberuflicher Übersetzer berechnet, kann sowohl nach oben als auch nach unten abweichen. Dies hängt von folgenden Faktoren ab:
- Sprachenpaar: Übersetzungen in oder aus Sprachen, für die es nicht so viele Übersetzer gibt, sind tendenziell teurer. Da greift das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Im Gegenzug sind Übersetzungen aus oder in Sprachen, die in Ländern gesprochen werden, in denen die Lebenshaltungskosten recht niedrig sind, tendenziell billiger. Zumindest, wenn der Übersetzer in einem dieser Länder lebt.
- Schwierigkeitsgrad: Wie bereits erwähnt, lassen sich manche Texte schneller übersetzen als andere, und je mehr Zeilen/Wörter pro Stunde übersetzt werden können, desto niedriger kann der Wort-/Zeilenpreis liegen. Umgekehrt gilt jedoch ebenfalls: Je weniger Zeilen/Wörter pro Stunde übersetzt werden können, desto höher kann der Wort-/Zeilenpreis ausfallen.
- Spezialisierung: Die Übersetzung mancher Texte erfordert eine Spezialisierung, die nicht jeder hat. Einen Artikel über Biochemie, der in einer entsprechenden Fachzeitschrift veröffentlicht werden soll, kann zum Beispiel nicht jeder übersetzen, der die beiden erforderten Sprachen beherrscht. Ein weiteres Beispiel sind Patentübersetzungen. Solche hoch spezialisierten Übersetzer sind selten und damit natürlich auch teuer – Wortpreise von 0,40 Euro und Zeilenpreise von 4,00 Euro sind keine Seltenheit.
- Zeitfenster: Muss ein Text sehr schnell fertig werden, berechnen Übersetzer in der Regel einen Aufschlag für die Arbeit nach Feierabend und am Wochenende – so wie es jede Notfallapotheke tut, jeder Schlüsseldienst usw.
Faktoren, die keinen Einfluss auf den Wort- oder Zeilenpreis haben:
- Textmenge: Na gut, für sehr kurze Texte fällt in der Regel ein Mindestauftragswert an, aus dem sich womöglich ein überdurchschnittlicher Zeilenpreis ergibt. Was ich jedoch meine, sind Großaufträge. Gerne wird davon ausgegangen, dass der Zeilen- oder Wortpreis bei einer großen Textmenge sinkt. Dem ist nicht so! Ein freiberuflicher Übersetzer muss ja weiterhin auf seinen Stundensatz kommen, und er kann nicht mehr Wörter oder Zeilen pro Stunde übersetzen, nur weil insgesamt mehr Wörter oder Zeilen da sind. Auch das Argument, dass man in der Zeit, in der man an einem Großauftrag sitzt, keine neuen Aufträge akquirieren muss, zieht nicht, denn diese Aufträge wären ja dann zum Normaltarif – also würde ich weniger verdienen, wenn ich auf Großaufträge Rabatte geben würde, anstatt einfach mehrere kleinere Aufträge zum Normaltarif zu bearbeiten.
4-Augen-Prinzip
Bei den hier aufgeführten durchschnittlichen Wort- und Zeilenpreisen handelt es sich ausschließlich um die Übersetzungskosten. Jeder professionelle Übersetzer, der für Direktkunden arbeitet, wird seine Übersetzung von einem Kollegen oder einem Korrekturleser gegenlesen lassen. Arbeitet man für eine Übersetzungsagentur, ist diese Agentur für diese Qualitätssicherung zuständig und wird die Übersetzung an einen Korrekturleser schicken – bei Direktkunden ist der freiberufliche Übersetzer selbst dafür verantwortlich. Meine Übersetzungen an Direktkunden werden grundsätzlich von einer zweiten Person lektoriert bzw. korrigiert. Für das Übersetzungslektorat berechnet ein freiberuflicher Übersetzer in der Regel die Hälfte des Zeilenpreises, den er für eine Übersetzung verlangt; diese Kosten sind in meinem Wort- bzw. Zeilenpreis einkalkuliert. Inkl. Lektorat/Korrektorat und Auftragsmanagement ergibt sich so ein durchschnittlicher Zeilenpreis von rund 3,00 Euro und ein durchschnittlicher Wortpreis von 0,30 Euro, der dem Direktkunden in Rechnung gestellt wird.
Das ist aber teuer!
Klingt teuer? Ist es nicht. Jeder Rechtsanwalt würde sich bei dem Stundensatz eines Übersetzers schief und kringelig lachen. Natürlich kriegen Sie eine Übersetzung billiger, allerdings gilt bei allem: Es gibt immer einen Grund, warum jemand billiger ist als andere. Als potenzieller Auftraggeber von Übersetzungen haben Sie nun immerhin einen Vergleichswert, anhand dessen Sie erkennen können, ob jemand zu billig ist und Sie deshalb Vorsicht walten lassen sollten.
Thomas Stüve meint
Hallo Miriam,
vielen Dank für einen hervorragenden Artikel zum Thema Berechnung und Bezahlung von Fachübersetzungen. Hier sind sämtliche Aspekte der Berufssituation von professionellen und frei berufstätigen Fachübersetzern angesprochen. Besonders der Stundenpreisvergleich mit anderen Branchen trifft voll ins Schwarze.
Als Fachübersetzer Schwedisch-Deutsch/ Englisch-Deutsch spreche ich aus 40 Jahren Berufserfahrung. Meine Tätigkeit habe ich heute altersbedingt zurückgefahren, werden deinen Artikel aber gern in meinem Umfeld weiterempfehlen.
Marion Arand meint
Hallo Miriam,
ich bin gerade eher durch Zufall über den Artikel „gestolpert“. Wunderbar sind die Gründe für die Preisgestaltung herausgearbeitet. Ich arbeite seit 5 Jahren als Übersetzerin in den Sprachkombinationen Finnisch-Deutsch und Englisch-Deutsch im Bereich Recht. Ich war zuvor 14 Jahre als Rechtsanwältin tätig und kann nur zustimmen. Ein Rechtsanwalt würde über die Stundenpreise von Übersetzern nur lachen. Schade nur, dass die Kunden es nicht immer gleich nachvollziehen können, was eine professionelle Übersetzung ausmacht und was sie beinhaltet. Notwendige Hintergrundrecherchen werden einfach nicht gesehen. Da haben wir noch viel Überzeugungsarbeit vor uns. Der Artikel hier ist ein super Anfang. Danke dafür.
Christine Rieß-Gerbeth meint
Sehr geehrte Frau Neidhardt,
aus gesundheitlichen und privaten Gründen bin ich jetzt 15 Jahre aus meiner Selbstständigkeit als Übersetzerin (Fachbereich Maschinenbau und Recht; hier Englisch/Französisch) heraus. Nun – wiederum aus gesundheitlichen Gründen, was meinen Mann betrifft – will ich einen Wiedereinstiegsversuch als Übersetzerin wagen. Die Informationen zur Berechnung und Bezahlung von Fachübersetzungen ist äußerst aussagefähig. Schon Ende der 1990er Jahre/Anfang der 2000er Jahre kämpfte ich mit dem Rechtfertigungszwang gegenüber meinen Auftraggebern. Obwohl schon 60, bin ich gespannt, ob alles so klappt, wie ich es mir vorstelle. Alles Gute für Sie.
Daniel Elsäßer meint
Ein sehr guter Artikel! Vielen Dank und alles Gute!
Nora Tora meint
„Jeder Rechtsanwalt würde sich bei dem Stundensatz eines Übersetzers schief und kringelig lachen.“ Das möchte ich sehen. 85€/Stunde netto! sind ein Stundenlohn, bei dem auch ein Rechtsanwalt nicht nein sagen wird. Und abgesehen davon, ein Rechtsanwalt hat 2 Staatsexamen und 7 Jahre studiert/gelernt, während die Fähigkeiten eines Dolmetschers weder ein langes Studium erfordern noch eine komplexe Materie erfordern. Ein gutes Sprachgefühl und Talent für Sprachen reichen aus, um so gut wie jede Sprache dieser Welt selbst zu erlernen. Das Dolmetschen soll natürlich nicht klein geredet werden. Aber 85/Stunde ist ein mehr als beachtlicher Stundenlohn der angesichts der schlichten Tätigkeit m.E. zu teuer bezahlt wird. Hier hat sich natürlich die starke Lobby in der Politik / insbesondere im EU Parlament bezahlt gemacht. Durch die starke Abhängigkeit des Parlaments von der Verdolmetschung können natürlich weitaus höhere Beträge genannt werden, als man es ohne die Abhängigkeit machen könnte. Ein Handwerker erhält in der Regel nicht einmal die Hälfte dieses Stundenlohns brutto! Mit diesen Stundensätzen ist ein Dolmetscher schlichtweg für einen Normalverdiener schlichtweg nicht bezahlbar. Man kann nur hoffen, dass die IT Branche hier die Übersetzungsprogramme mit der KI soweit fortentwickelt bekommt, dass die Abhängigkeit zurück geht und die Preise wieder auf ein angemessenes Maß sinken.
Annett Scharein meint
Ihr Kommentar strotzt vor Meinung, aber nicht vor Ahnung. Anders ausgedrückt: Warum sind Sie denn kein*e Übersetzer*in/Dolmetscher*in, wenn es denn so einfach ist? Vielleicht würde aber auch Google helfen, zum Beispiel, um die Voraussetzungen für eine Vereidigung zu kennen. Spoiler: Ein Studium zählt auch dazu.
Chris Hein meint
Meine Güte, an diesem Kommentar stimmt ja gar nichts!
Einmal ist das kein Netto, sondern Brutto, es geht schließlich um Freiberufler. Dann ist Dolmetschen alles, aber keine „schlichte Tätigkeit“, die ist, im Gegenteil höchst anspruchsvoll. Man braucht dafür ein Studium samt Masterabschluss.
Und schließlich würde ich gern die Handwerker sehen, die für 40 Euro brutto auch nur einen Hammer anheben. Der Sanitärgeselle, der letzte Woche hier war, hat 74 Euro pro Stunde verlangt.
Friedhelm Weinand meint
Ich habe selten einen solchen Schwachsinn gelesen. Das strotzt nicht nur von Unkenntnis, sondern auch von Arroganz. Ich habe 10 Semester for mein Diplom studiert (1 Vorsemester in einer für mich neuen Sprache, 8 Pflichtsemester, 1 Semester Diplomarbeit). Wo ist da der große Unterschied zum Anwalt? Wenn „ein gutes Sprachgefühl und Talent für Sprachen“ ausreichen, müsste es doch auch genügen, sich ein paar Rechtstexte zu kaufen, um Anwalt zu werden (da steht doch alles drin). Wenn dem geneigten Juristen der Stundensatz für Dolmetscher oder Übersetzer zu hoch erscheint, bleibt es ihm doch überlassen, sich der gängigen kostenlosen Übersetzungs-Tools zu bedienen. Der Diplom-Sprachmittler Dr. Google liefert in Sekundenschnelle seine Ergebnisse. Allerdings würde ich Gott weiß was dafür geben, den Lachanfall im Gerichtssaal erleben zu dürfen, wenn das Resultat dort präsentiert wird.