Ich bin bei Facebook in einer Gruppe für Selfpublisher, in der immer mal wieder nach Tipps für die Übersetzung des eigenen Werks gesucht wird, meist ins Englische. Und immer wieder wird in diesen Threads geraten, das Buch einfach von Deepl.com automatisch übersetzen zu lassen und nur zur Überarbeitung an einen Muttersprachler zu übergeben. Und immer wieder schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen, weil das eine richtig dumme Idee ist. Übersetzen, gerade von Literatur, ist eine Kunst! Da reicht kein Computer und da reicht auch kein Muttersprachler! Lesen Sie mal bei Facebook irgendwelche Kommentare unter irgendwelchen Threads und Ihnen wird schnell klar werden, dass die allerwenigsten Menschen selbst in ihrer Muttersprache gut schreiben können – und dabei rede ich nicht nur von Orthografie. Sätze klar, ansprechend und spannend zu formulieren ist eine Kunst, die kein Computer beherrscht und auch Menschen viel mehr Können abverlangt als nur eine Muttersprache mitzubringen.
Aber probieren wir es einfach mal aus! Ich habe ein paar Absätze aus „Kein Zurück“* von Tiffany Snow (den kompletten Roman durfte ich 2014 ins Deutsche bringen) durch DeepL laufen lassen, um zu sehen, was dabei herauskommt.
Original:
Planting your face in someone’s lap usually isn’t considered the best way to begin a new job. Well, maybe some jobs, but not this job. I was a runner at the prestigious Indianapolis law firm of Gage, Kirk, and Trent, a position that occupied a rung right above mailgirl but below copyboy.
Unfortunately, that position currently had me facedown in the lap of the aforementioned Kirk of said prestigious law firm.
DeepL-Übersetzung:
Jemandem das Gesicht in den Schoß zu legen, wird in der Regel nicht als der beste Weg angesehen, eine neue Arbeit zu beginnen. Nun, vielleicht bei einigen Jobs, aber nicht bei diesem Job. Ich war Laufbursche in der angesehenen Anwaltskanzlei Gage, Kirk und Trent in Indianapolis, eine Position, die eine Sprosse direkt über dem Postmädchen, aber unter dem Copyboy angesiedelt war.
Leider befand ich mich auf dieser Position derzeit mit dem Gesicht nach unten auf dem Schoß des bereits erwähnten Kirk der besagten angesehenen Anwaltskanzlei.
Okay, man versteht, was gemeint ist. Und wenn man nur wissen möchte, „was da steht“, ist DeepL durchaus hilfreich, denn nun wissen wir, was da steht. Aber würde Sie ein Buch lesen, das so beginnt? Natürlich nicht, denn die DeepL-Übersetzung muss ja von einem Muttersprachler überarbeitet werden. Das Problem ist, dass bei einer Romanübersetzung Gefühle übertragen werden müssen. Der Leser des englischen Textes muss beim Lesen dasselbe Gefühl bekommen wie der Leser des deutschen Textes. Dieses Gefühl muss ich als Übersetzerin beim Lesen des Originals spüren und dem deutschen Leser vermitteln. Nur: Beim Lesen der DeepL-Übersetzung entsteht kein Gefühl! Wie würden Sie die DeepL-Übersetzung überarbeiten? Als deutscher Muttersprachler? Ich wüsste ehrlich gesagt gar nicht, wo ich anfangen sollte – es ist ja alles korrekt, es liest sich nur bescheiden.
Zweites Beispiel:
Original:
James’s eyes shot daggers at him, but he left. Then Blane turned to me and I inwardly quaked at the look in his eyes, while trying not to admire how amazing he looked in his tuxedo. The coat was cut perfectly, emphasizing his broad shoulders, and the black mask only served to enhance the green of his eyes and the strong curve of his jaw.
DeepL-Übersetzung:
James schoss mit den Augen Dolche auf ihn, aber er ging weg. Dann drehte sich Blane zu mir um, und ich zitterte innerlich vor dem Blick in seinen Augen, während ich versuchte, nicht zu bewundern, wie erstaunlich er in seinem Smoking aussah. Der Mantel war perfekt geschnitten und betonte seine breiten Schultern, und die schwarze Maske diente nur dazu, das Grün seiner Augen und die starke Kieferwölbung zu betonen.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber auch hier wüsste ich gar nicht, wo ich mit der Überarbeitung anfangen sollte. Auf jeden Fall bräuchte ich das englische Original, um zu verstehen, was die deutsche Übersetzung mir sagen will. Und genau da liegt das Problem: Bei der Überarbeitung einer DeepL-Übersetzung muss ich entweder den entsprechenden Abschnitt im englischen Original lesen – oder ich muss die deutsche DeepL-Übersetzung im Kopf ins Englische rückübersetzen, um sie zu verstehen. Und das ist keine Zeitersparnis! Ganz im Gegenteil. Wenn ich den Abschnitt selbst übersetze, muss ich „nur“ das Englische verstehen und ins Deutsche bringen. Bei der Überarbeitung der Deepl-Übersetzung muss ich das Deutsche lesen, das Englische lesen, das Englische verstehen, das Deutsche verstehen, mich blitzdingsen und das Deutsche neu formulieren. Das dauert nicht nur länger, die Sache mit dem Blitzdingsen wird auch nicht funktionieren, sodass ich womöglich an einer schrägen Formulierung der DeepL-Übersetzung klebe und das Ergebnis unschön wird. Oder ich bin total genervt von der bescheuerten DeepL-Übersetzung und formuliere, schon um auf einen gescheiten Stundensatz zu kommen, nur um, was wirklich notwendig ist – und dann ist das Ergebnis erst recht unschön. Durch diese Satz-für-Satz-Überarbeitung komme ich auch schlicht nicht in den Fluss. Sie kennen das, wenn Sie ein gutes Buch lesen und schlicht nicht aufhören können. So geht es mir beim Übersetzen: Ich lese und tippe gleichzeitig den Text in der anderen Sprache. Dabei fühle ich, was die Protagonisten fühlen. Bei rasanten Szenen tippe ich schneller und bei romantischen Szenen klopft auch mein Herz schneller. Das merkt man der Übersetzung an, und all das ist bei der Überarbeitung einer Computerübersetzung nicht möglich, und es kommt einfach nur ein Text heraus, der zwar in sich grammatikalisch und orthografisch korrekt ist – aber seelenlos. Und ein Roman lebt nicht nur von der Geschichte und korrekter Rechtschreibung, sondern primär von den transportieren Gefühlen.
Sie als AutorIn haben sich so viel Mühe beim Formulieren Ihres Romans gegeben. Verhunzen Sie ihn bitte nicht durch eine Computerübersetzung. Beauftragen Sie eine Übersetzerin, die sich dieselbe Mühe mit Ihrem Roman in der anderen Sprache gibt. Das wäre bei Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche meine Wenigkeit und meinen Service für Übersetzungen aus dem Deutschen ins Englische finden Sie unter www.ihr-buch-auf-englisch.de.
Schreibe einen Kommentar