Als ich vor vielen Jahren als frisch studierter Übersetzer zum ersten Mal mit SAP in Berührung kam, habe ich immer mit Begeisterung um gute Fehlermeldungen gerungen. Seitdem habe ich wahrscheinlich mehr solcher Meldungen verfasst, als ich je übersetzt habe – denn seit über 10 Jahren berate ich nun SAP-Kunden und -Partner in Sachen Übersetzung und habe in diesem Bereich auch diverse eigene SAP-Add-ons gebastelt. Aber immer, wenn ich eine unschön übersetzte deutsche Fehlermeldung sehe, juckt es mich wieder in den Fingern, sie zu verbessern.
Dies ist ein Gastposting von Martin Lüdecke.
Bitte richten Sie Anfragen direkt an ihn unter www.ludecke.net/de
Und es gibt den SAP-Systemen der Welt sehr viele unschön übersetzte Fehlermeldungen. Warum ist das so? Zunächst hängt das damit zusammen, dass ein SAP-System in der Firma, die es einsetzt, „nur“ von den eigenen Mitarbeitern genutzt wird – und nicht etwa von den eigenen Kunden. Wenn nun zum Beispiel eine US-amerikanische Firma ihr SAP nach Deutschland ausrollt und die deutschen Mitarbeiter für die selbstgebauten Transaktionen und Programme eine deutschsprachige Benutzeroberfläche benötigen, ist stilistische Perfektion oft ein nachrangiges Ziel – denn es muss oft schnell gehen und darf nicht zu teuer sein. Richtig muss die Übersetzung sein, und verständlich, aber Schönheitspreise werden nicht vergeben.
Zudem hat die IT-Abteilung, die das Projekt betreut, oft vielleicht zum ersten Mal mit dem Thema Übersetzung zu tun, und muss erst herausfinden, worauf es dabei ankommt. Dabei zu helfen und erfolgreiche SAP-Übersetzungsprojekt mit hoher Übersetzungsqualität durchzuführen, ist dann oft meine Aufgabe. Und das gilt auch für Fehlermeldungen – denn die machen es dem Übersetzer nicht leicht. Der wichtigste Grund für unschöne Fehlermeldungen ist nämlich die Längenbeschränkung auf 73 Zeichen. Wenn man im SAP-System im hauseigenen Kurztexteditor übersetzt, ist das auch wirklich eine harte Grenze – nach 73 Zeichen kann man einfach nicht weitertippen.
Nicht jeder Entwickler hat im Blick, dass eine Fehlermeldung später auch noch übersetzt werden muss, und nutzt gern schon im Englischen die 73 Zeichen voll aus – oder es wird sogar im Englischen schon abgekürzt. Bekanntermaßen brauchen deutsche Texte oft mehr Platz als englische – und als Übersetzer sieht man sich da leicht einer gefühlt unmöglichen Aufgabe gegenüber, den ganzen Inhalt in einer deutschen Meldung unterzubringen. Aber hier kommt die gute Nachricht – es ist fast immer möglich, eine gute deutsche Fehlermeldung zu formulieren. In meiner Zeit als Projektmanager habe ich immer behauptet, ich könne jede Fehlermeldung in 73 Zeichen oder weniger formulieren, ohne abzukürzen. Und das hat fast immer gestimmt. Für mich gibt es dabei drei wichtige Prinzipien:
- etablierte Akronyme nutzen
- mehrfach umformulieren
- zur Not die unwichtigste Information weglassen
Das mit den Akronymen ist recht einfach, denn es gibt diverse gängige Akronyme bei SAP oder bei SAP-Kunden, mit denen man eine zu lange Fehlermeldung wie
Bestellanforderung &1 muss einem Einkäufer in Organisation &2 zugeordnet sein
(77 Zeichen)
sinnvoll kürzen kann:
BANF &1 muss einem Einkäufer in Organisation &2 zugeordnet sein
(63 Zeichen)
Bei manchen Meldungen hilft kreatives Umformulieren:
Wörtlich übersetzt würde daraus:
Anzahl der Ressourcen für Ressource &2 in Vorgang &1 darf nicht größer als 1 sein
(81 Zeichen)
Und wenn wir das dann einfach abkürzen, kommt folgende Augenweide heraus:
Damit finden wir uns aber natürlich nicht ab, denn wenn man darüber nachdenkt, was wir dem Anwender eigentlich sagen wollen, lässt sich diese Meldung wirklich sehr gut umformulieren:
Maximal 1 Ressource für Ressource &2 in Vorgang &1 zulässig
(59 Zeichen)
Und für den Anwender kann das dann so aussehen:
Das war doch gar nicht so schwer. Aber es gibt auch viel kniffligere Fälle. Was macht man zum Beispiel hiermit:
Zu deutsch, nah am Englischen übersetzt:
Zuordnen nicht möglich; Reisekosten zu Rechnungsanforderung oder Anforderungsposition zugeordnet
(96 Zeichen)
Und auf 73 Zeichen gekürzt:
Durch Umformulieren kommen wir etwas weiter, aber nicht sehr weit:
Zuordnen unmöglich; Reisekosten zu Rechnungsanforderung oder Anforderungsposition zugeordnet
(92 Zeichen)
Wenn man aber einen Schritt weiterdenkt, fällt einem auf, dass der Anwender diese Meldung ja als Fehlermeldung bekommt, wenn er versucht, etwas zuzuordnen. Es ist ihm also schon klar, dass das “Zuordnen unmöglich” ist. Daher haben wir hier die Möglichkeit, den ersten Satz wegzulassen:
Reisekosten zu Rechnungsanforderung oder Anforderungsposition zugeordnet
(72 Zeichen)
Mit dieser Meldung sollte der Anwender, der ja gerade versucht, etwas zuzuordnen, immer noch verstehen, dass dies gerade nicht funktioniert hat – es wird ihm nur noch der Grund angezeigt, warum es nicht geht. Und dass es nicht geht, sieht er klar und deutlich am roten Ausrufezeichen. Wir haben es mit dieser Variante bereits unter 73 Zeichen geschafft, aber da mir persönlich das “zuordnen zu” immer sehr missfällt, schlage ich vor, noch etwas am Stil zu feilen:
Voilà. Wer hätte gedacht, dass das in 73 Zeichen passt? Ich denke, 99 % aller Fehlermeldungen lassen sich mit diesen drei Prinzipien so kürzen, dass sie gut lesbar bleiben und vollständig ohne Abkürzungen auskommen. Das macht sowohl den Linguisten in mir glücklich als auch den Liebhaber gut durchdachter Benutzeroberflächen. Und ich vermute, dass diese Prinzipien sich möglichweise über SAP hinaus auf viele Arten von Software anwenden lassen.
Über den Autor
Martin Lüdecke ist Geschäftsführer bei LUDECKE und hilft dort SAP-Kunden und SAP-Partnern beim Thema Übersetzung, zum Beispiel im Kontext von internationalen Rollouts. Er hat außerdem diverse Übersetzungstools für SAP-Eigenentwicklungen (SAP GUI oder Fiori), Customizing, Stammdaten etc. entwickelt.
Website: www.ludecke.net/de
Schreibe einen Kommentar