Ich übersetze (leider) (noch nicht) für „klassische“ Verlage, insofern weiß ich nicht wirklich, wie das da läuft, aber wenn ich ein Buch für AmazonCrossing übersetze, ist der Ablauf wie folgt:
Ich erhalte eine E-Mail, dass ein Buch oder mehrere Bücher neu ausgeschrieben wurden. Daraufhin logge ich mich in das System ein und gucke mir die Bücher an. Sagt mir eines zu – von der Geschichte und vom Stil her – übersetze ich den Probetext dazu, der eine Länge von ca. 300 Wörtern hat. Dafür habe ich in der Regel eine Woche Zeit. Das Budget ist vorgegeben; ich muss es jedoch nicht akzeptieren und kann eine eigene Summe eingeben. Dann heißt es warten und hoffen und mit etwas Glück (ach was, das ist Können!) erhalte ich ein paar Tage später eine E-Mail mit dem Vertrag, den ich online akzeptiere. Ich mag dieses System, denn so kann ich mir die Bücher aussuchen, ohne Gefahr zu laufen, dass mich der Verlag aussortiert, weil ich zu viel Projekte ablehne, und ich erhalte den Zuschlag, weil mein Probetext am besten gefallen hat – jedes Mal ein Hochgefühl. Spätestens zu diesem Zeitpunkt lade ich mir das vollständige Buch als PDF herunter. Und dann beginne ich mit dem Übersetzen! Alle zwei Wochen erwartet Amazon einen Zwischenstand, soll heißen, ich lade hoch, was ich bereits übersetzt habe. Ich teile mir die Bücher in der Regel in Fünftel ein und lade alle zwei Wochen ein Fünftel hoch; bei üblichen 90 Tagen Bearbeitungszeit pro Buch habe ich so am Ende noch ausrechend Puffer für die Überarbeitung. Nach zwei Wochen bereits werden Klappentext und Buchtitel erwartet; beides lässt sich jedoch noch bis zur endgültigen Abgabe des Buchs ändern. Ich übersetze jeden Tag mein Pensum, nach zwei Wochen lese ich das übersetzte Fünftel durch, lade es hoch, nach zehn Wochen bin ich mit der Übersetzung fertig, lese das ganze Buch nochmal durch und gebe anschließend die endgültige Übersetzung ab. Die erste Hälfte der Vergütung erhalte ich 30 Tage nach Vertragsunterzeichnung, die zweite 30 Tage nach Abnahme der fertigen Übersetzung, die üblicherweise rund zehn Tage nach dem Upload erfolgt.
Wochen später kommt das Buch aus dem Lektorat und wird mir mit nachverfolgbaren Änderungen und Kommentaren zur Überarbeitung zugesandt. Die Änderungen kann ich übernehmen; muss ich aber zum Glück nicht, denn manche sind wirklich doof. Leider schleichen sich bei Änderungen immer wieder Fehler ein, zum Beispiel, wenn eine Satzstellung verändert und dabei nicht konsequent vorgegangen wird. Gerne produzieren auch Lektoren Tippfehler, doppelte oder fehlende Leerzeichen. Mit etwas Glück fallen mir solche Fehler auf – oftmals jedoch nicht, denn, und dieses Phänomen kennt jeder, der selber schreibt: Fehler in eigenen Texten sieht man nicht. Mein Gehirn glaubt ja, es wüsste, was da steht, und liest genau das. Aber dafür gibt es ja Korrekturleser! Wenn ich das Lektorat durchgearbeitet habe, gebe ich den fertigen Text erneut ab und er wird dem Korrekturleser übergeben. Manchmal bekomme ich ihn danach nochmal zur Abnahme, nämlich wenn der Korrekturleser mehr Änderungen einfügt als bloße Fehlerkorrekturen. Manchmal ist es gut, dass er auch ein wenig lektoriert, oftmals ist es jedoch leider so, dass er durch das Lektorieren seinen eigentlichen Job vernachlässigt und Tippfehler übersieht.
Es sind also drei Menschen an der Entstehung des übersetzten Buchs beteiligt. Wenn mir als Übersetzer ein Tippfehler unterläuft, und ich „Er war ihm dicht auf den Versen“ statt „Fersen“ schreibe, ist es ein bisschen Job des Lektors, diesen Fehler zu korrigieren, ganz sicher jedoch Job des Korrektors. Leider sind wir alle nur Menschen und eine komplette Fehlerfreiheit kann bei einer Textmenge von 100.000 Wörtern nie erreicht werden. Und dennoch ist in den Augen der Rezensenten immer der Übersetzer schuld! Natürlich sind Tippfehler in einem Buch ärgerlich. Aber sie machen eine Übersetzung nicht „oberflächlich“, und es lassen sich durch Tippfehler auch keine Rückschlüsse auf das Können des Übersetzers ziehen – wohl aber auf die Qualität des Lektorats und vor allem auf die Arbeit des Korrekturlesers. Also, liebe Rezensenten: Ein bisschen mehr Respekt, bitte. Es ist in Ordnung, Fehler zu monieren – aber schiebt diese doch bitte denen in die Schuhe, die für die Fehlerfreimachung des Texts bezahlt wurden. Und dabei offensichtlich fehlerhaft gearbeitet haben.
Andreas Pfeil meint
Hallo Miriam,
Ich freue mich immer wieder, kleine Anekdoten aus Deinem Hause zu lesen – nicht zuletzt, weil auch ich ein Freund des (halbwegs – bin ja kein Profi ;.)) korrekten Gebrauches der deutschen Sprache bin. – Einige (kleine) Fehler sind mir auch selbst bewusst geworden, als ich als Rheinländer mit einem manchmal „schludrigen“ Sprachgebrauch versucht hatte, perfekte Sätze zu bilden 😉
Dazu muss ich gestehen, dass ich eher kein „nobody“ bin – im Sinne von „nobody is perfect“ !
Vielen Dank für Deine Bereicherung hier im „www“, was „Lehrstunden“ bezüglich des Sprachgebrauches angeht, ich sauge sie geradezu auf.
Ursprünglich war ich auf Deine Internetrepräsentanz gekommen, als auch ich Probleme mit meinem Stromversorger hatte.
Hierzu möchte ich – auch im Namen einiger weiterer „almado-Geschädigten“ – Dir ein „dickes Dankeschön“ dafür aussprechen, dass Du seinerzeit Deine Plattform diesbezüglich zur Verfügung gestellt hattest.
Ich konnte einigen Menschen dadurch weiterhelfen !
Im Ergebnis haben wir alle dadurch gewonnen, „almado“ und deren Muttergesellschaft (365 AG), sowie unzählige weitere Tochtergesellschaften sind zumindest aus den Vermittlerportalen (check24.de, etc…) verbannt worden und treiben nun weitaus weniger ihr Unwesen, wenn überhaupt noch…
Ich freue mich darauf, weitere „Lehreinheiten“ von Dir lesen zu dürfen – bleibe also ein treuer Abonnent Deiner Seite !
Auch wenn mein Beitrag jetzt nicht gerade passend ist, wollte ich das doch noch einmal angemerkt haben – verschiebe oder lösche ihn einfach für den Fall, dass er völlig unangebracht ist – mir war halt gerade danach…
Sollte ich jemals auf eine professionelle Übersetzerin angewiesen sein, weiss ich in jedem Fall, an wen ich mich wenden werde !
Herzliche Grüsse aus Düsseldorf –
Andreas Pfeil
Andreas Pfeil