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miriam neidhardt
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20. Mai 2014 by Miriam Neidhardt Kommentar verfassen

Übersetzen – ist doch einfach!

Einst klingelte es an meiner Haustür und davor stand ein junger Mann, der ein kurzes Interview mit mir führen wollte, was ich davon halte, wenn Straftäter wieder entlassen werden. Oder so. Der Mann kam natürlich von einer Drückerkolonne und wollte mir ein Zeitschriftenabo andrehen. Entsprechend wenig begeistert war ich über die Störung, jedoch zu höflich, um ihm einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Also entschuldigte ich mich, ich hätte keine Zeit, weil ich gerade am Arbeiten sei. „Was arbeitest du denn?“ – „Ich bin Übersetzerin.“  – „Welche Sprache?“ – „Englisch.“ – „Ist doch einfach.“

Und immer, wenn ich an einem Übersetzungsproblem sitze, kommt mir diese Unterhaltung wieder in den Sinn. Jeder kann Englisch – mehr oder weniger. Ergo kann auch jeder übersetzen – in beide Richtungen, versteht sich, aber gerade aus dem Englischen in die deutsche Muttersprache ist doch Kinderkram. Englisch verstehen tut doch wirklich jeder und wenn nicht, wozu gibt es Wörterbücher?

Aktuell sitze ich an einer Romanübersetzung, die mich vor die eine oder andere Herausforderung stellt. Ohne viel von der Handlung verraten zu wollen, kommt eine Szene darin vor, die auf einer Party spielt: Auf dieser Party werden Edel-Prostituierte in lockerer Atmosphäre mit Kunden zusammengebracht. Damit alles diskret abläuft, tragen Damen wie Herren Gesichtsmasken und Decknamen. Die Protagonistin beispielsweise trägt ein aquablaues Kleid und den Decknamen „Lorelei“ wie die Meerjungfrau. Dieser Deckname lässt sich problemlos im Deutschen erhalten. Schwieriger wird es bei ihrer Kollegin: Diese trägt ein rotes Kleid und im englischen Original den Decknamen „Scarlet Ibis“. Im Deutschen hat dieser Vogel die klangvolle Bezeichnung „Scharlachsichler“. Scharlach ist eine unschöne bakterielle Erkrankung, die sich u. a. durch eine rote Zunge äußert – ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich als Freier würde die Finger von einer Prostituierten lassen, die eine ansteckende Krankheit im Namen trägt. Nun könnte ich sie „Roter Ibis“ nennen, aber so oder so ist der Ibis ist leider männlich und passt somit nicht allzu gut zu einem Call Girl. Und schon nutzt es mir überhaupt nichts, Englisch zu können und das englische Original problemlos zu verstehen; jetzt brauche ich einen Tarnnamen für eine Prostituierte, der a) etwas mit Rot zu tun hat und b) möglichst erotisch klingt. Ist ja einfach?

Einer der Freier trägt den Decknamen „Mercury“. Mercury hat im Deutschen mehrere Bedeutungen: Quecksilber, der römische Götterbote Mercurius oder der Planet Merkur. Auch eine Anspielung auf Freddie Mercury ist nicht auszuschließen. Leider ist die Sache weitaus komplizierter, wie aus folgendem Satz hervorgeht:

I recalled how James’s moods changed so rapidly—charming and gentle one moment, furious the next—and it struck me how apt his Mercury moniker was.

Um diesen Satz zu verstehen, muss man Englisch können: Vom Götterboten Mercury abgeleitet gibt es das Adjektiv „mercurial“, was so viel wie „launenhaft, lebhaft, wechselhaft“ bedeutet. Und somit sehr gut auf James zutrifft, weshalb der Deckname Mercury so gut zu ihm passt. Nur: Wie sage ich es meinem deutschen Leser? Erkläre ich ihm diesen Zusammenhang, was den Lesefluss stören und der Textstelle eine Bedeutung zukommen lassen würde, die ihr nicht zusteht? Und wenn ich die deutsche Protagonistin erzählen lasse, dass sie den Namen „Mercury“ so passend findet, weil das davon abgeleitete Adjektiv im Englischen „launenhaft“ bedeutet, würde sich der deutsche Leser vermutlich wundern, welch weitführende Gedankengänge die Erzählerin hat, auf die sonst niemand kommen würde. Das würde ihr einen Charakterzug verleihen, den sie im Original nicht hat.

Und wieder nutzt es mir wenig, dass ich Englisch kann. Es nutzt mir auch wenig, dass ich Deutsch kann. Nun muss ich bei beiden Stellen entscheiden: Ändere ich den Decknamen? In was? Erkläre ich den englischen Decknamen? Lasse ich im zweiten Fall den kompletten Satz vielleicht einfach weg, weil er für die Handlung nicht weiter wichtig ist? Wäre schade drum.

Natürlich ist es für das Übersetzen eine Grundvoraussetzung, die Fremdsprache sehr gut zu beherrschen. Jemand, der Englisch nicht sehr gut beherrscht, hätte vermutlich gar nicht verstanden, warum der Deckname „Mercury“ so passend ist und einfach nur platt übersetzt, „was da steht“. Das wäre eine schlechte Übersetzung gewesen, weil der deutsche Leser sich über diese Stelle sehr gewundert hätte. Doch nicht jeder, der die Fremdsprache beherrscht, kann auch übersetzen – dazu gehört viel mehr. In diesem Fall die Erkennung des Wortspiels. Die Neugier, es zu verstehen. Und der Ehrgeiz, das daraus entstehende Problem zu lösen. Dabei die Zielgruppe im Auge zu behalten und einen Text zu schaffen, den genauso gut ein deutscher Autor auf Deutsch hätte schreiben können – ohne holprige Formulierungen und schiefe Vergleiche. DAS ist die Kunst. Und das kann nicht jeder, der mal eine Fremdsprache gelernt hat.

Aber wie Kollegin Anja Weiligmann auf Facebook zur eingangs erwähnten Szene so schön sagte: „Und weil es jeder kann, sitzt Du jetzt schön im Home Office und er belästigt vermutlich immer noch fremde Menschen :-)“

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Kategorie: Kunst des Übersetzens

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