Wenn ich ein Buch für einen Selfpublisher aus dem Englischen ins Deutsche übersetze, beinhaltet das deutlich mehr als das bloße Übersetzen, wie man es für einen klassischen Verlag tun würde – ich biete das komplette Serviceprogramm. Dies erstens für den Autor: In der Regel ist dieser der deutschen Sprache nicht mächtig und hatte schon Schwierigkeiten genug, einen Übersetzer für sein Buch zu finden, da muss er sich nicht noch einmal in die Tiefen des Internets begeben auf einer Suche nach einem Lektor und Korrekturleser. Und zweitens tue ich das für mich: So behalte ich die Kontrolle über mein urheberrechtlich geschütztes Werk, soll heißen: Der Autor kann es weder unlektoriert und unkorrigiert veröffentlichen noch lektorieren und/oder korrigieren lassen, ohne dass ich die Änderungen abnehmen kann.
Wenn ich also einen Auftrag eines selbst verlegenden Autors erhalten habe und wir uns über die Konditionen einig geworden sind, legen wir dies vertraglich fest. Die Vorlage eines solchen Vertrags konnte ich dem Kapitel von Jeannette Bauroth für mein Buch „Überleben als Übersetzer“ entnehmen; diesen passe ich an die aktuellen Bedürfnisse an. Die Hälfte des vereinbarten Betrags ist immer sofort fällig und die zweite nach Abgabe der fertigen Übersetzung.
Die Übersetzung
Und dann geht’s los! Ich übersetze das komplette Buch. Meist lese ich es, ehrlich gesagt, vorher nicht in Gänze durch, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass meine Motivation deutlich nachlässt, wenn ich weiß, was auf den nächsten Seiten passieren wird 😊 Für diesen Vorgang rechne ich ca. 2.000 Wörter pro Werktag, bei einem Buch mit 300 Seiten brauche ich somit rund 1 ½ Monate. Dann arbeite ich meine komplette Übersetzung nochmal von vorne bis hinten durch, das heißt ich lese sie durch und feile daran herum – ca. zwei Wochen lang. Wichtig ist, dass bei Übersetzungen für Selfpublisher alles übersetzt wird, auch der Titel, der Klappentext, die Autoren-Biografie und am Anfang das Impressum mit Copyright, Haftungsausschluss usw.
Das Lektorat
Anschließend gebe ich die fertige Übersetzung an eine Lektorin meiner Wahl. Hier liegt ein ganz erheblicher Vorteil des Arbeitens für Selfpublisher: Ich kann mir meine Leute selbst aussuchen. Man kann halt nicht immer mit jedem; manchmal passt der Stil einfach nicht zusammen. Dieses Lektorat dauert bei 300 Seiten rund einen Monat, und anschließend arbeite ich sämtlich Änderungen durch. Manchmal lehne ich welche ab, aber die meisten übernehme ich – immerhin habe ich die Lektorin ausgewählt, weil sie meinen Text tatsächlich optimiert.
Das Korrektorat
Im nächsten Schritt geht das lektorierte Werk an einen Korrekturleser meiner Wahl. Wozu, kann das nicht die Lektorin machen, wenn sie den Text eh gerade liest? Oder kann die etwa keine Rechtschreibung?
Doch, klar kann sie, und einige Fehler hat sie auch angestrichen. Doch Lektorat und Korrektorat sind zwei vollkommen unterschiedliche Tätigkeiten. Wenn ich lektoriere, konzentriere ich mich auf den Textfluss, ob sich alles stimmig liest. Tippfehler blendet das Gehirn dabei gerne aus, gerade, wenn der Text gut geschrieben ist. Wenn ich hingegen korrigiere, kommt es oft vor, dass ich am Ende keine Ahnung habe, worum es im Text ging, weil ich mich allein auf die Fehlersuche konzentriert habe. Ich lese Buchstabe für Buchstabe, ohne den Textzusammenhang zu erfassen. Und deshalb ist nach dem Lektorat noch ein Korrektorat notwendig.
Dieses Korrektorat dauert bei 300 Seiten 2–3 Wochen.
Die Formatierung
Wenn ich den Text aus dem Korrektorat bekommen haben, gucke ich wieder alle Änderungen durch und akzeptiere sie oder – selten – lehne sie ab. Anschließend geht es in die letzte Runde: die Formatierung. Erscheint das Buch ausschließlich als E-Book, mache ich diese selber, einfach, weil sie kein Hexenwerk ist:
- Alle Kapitelüberschriften müssen als Überschrift gekennzeichnet sein.
- Die erste Zeile eines jeden Abschnitts wird eingerückt; ich mach das um 0,53 cm. Ausnahme: Die allererste Zeile eines jeden Kapitels wird nicht eingerückt.
- Ich wähle Zeilenabstand 2, Schriftgröße 12, Schrift Times New Roman.
- Jedes Kapitel muss mit einem Seitenumbruch enden (Einfügen -> Seitenumbruch)
- Inhaltsverzeichnis erstellen (Referenzen -> Inhaltsverzeichnis)
- Die Worddatei wird als „Website, gefiltert“ gespeichert.
- Diese „Website, gefiltert“ wird bei Calibre hochgeladen.
- Autor, Titel und Cover eingeben, zu Mobi (bzw. ePub) formatieren – fertig!
- An den eigenen Kindle (oder anderen E-Reader) schicken
Anschließend lese ich das komplette Werk gemütlich am Kindle durch und eliminierte Formatierungsfehler, die ich dabei mit Sicherheit noch finde. Auch letzte Tippfehler hole ich raus.
Soll das Buch in gedruckter Form erschienen, ist es sinnvoll, dass ich mich auch hierbei um die Formatierung kümmere – die kann ich zwar nicht selbst machen, aber auch dafür habe ich Leute in meinem Netzwerk und es ist auf jeden Fall angebracht, das die Formatierung des deutschen Texts jemand übernimmt, der des Deutschen mächtig ist, damit am Ende nicht lauter lustige Silbentrennungen das Lesevergnügen mindern. Ebenso kümmere ich mich auf Wunsch um das Cover – je nachdem, wie viel Service der Autor wünscht!
So oder so erhält der Kunde eine absolut fertige Version, die er ohne weitere Eigenarbeit hochladen und zum Verkauf anbieten kann.
Zum Weiterlesen: Eine interessante Fallstudie „Mit Übersetzungen auf den englischsprachigen“ Markt finden Sie in der Selfpublisherbibel.
Henrik Weber meint
Hallo, ich habe den Reisebericht einer längeren Fahrradreise von Deuschland nach Thailand auf englisch verfasst (300 Seiten) und möchte Sie fragen, ob Sie mir einen guten englischsprachigen Lektor vorschlagen können.
MfG
Henrik Weber
Anett Enzmann meint
Hallo Herr Weber,
mit der Erlaubnis von Frau Neidhardt möchte ich Ihnen gern uns empfehlen. Wir sind ein Team aus einem amerikanischen Muttersprachler und mir, einer bilingualen Übersetzerin, und übernehmen gern diese Art von Lektoraten. Schreiben Sie mir gern eine E-Mail, dann können wir alles Weitere besprechen. anett @ spellwords-translation. net (Leerzeichen entfernen)
Joachim Hussing meint
Was für ein hilfreicher Artikel zum Thema Übersetzer! Das ist alles echt gut zu wissen. Die Informationen werde ich mir zu Herzen nehmen für die Zukunft. Ich hoffe, in einigen Jahren ein Buch veröffentlicht und übersetzt zu haben.
R.Fritzen meint
Hallo Frau Neidhardt,
Einen Roman eines Selfpublishers vom Englischen ins Deutsche zu übersetzen – ist man dann nicht automatisch quasi der Co-Autor, der die Übersetzung übernimmt? Und könnte sich der Co dann auch den Verkaufserlös teilen?
Schöne Grüße,
R.F.
P.S. und ein schönes neues Jahr 2021 🙂