Auch dem besten und etabliertesten Übersetzer kann es passieren – und vermutlich ist es jedem von uns schon einmal passiert: Ein großer Kunde bricht weg, eine unerklärliche Flaute setzt ein, und auf einmal bangen wir als Freiberufler um unsere Existenz. Da ist keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Kündigungsschutz, kein Arbeitslosengeld. Da ist das ganz große Nichts. Plötzlich kommt kein oder zu wenig Geld rein – doch die Ausgaben bleiben.
Was tun, wenn die Aufträge ausbleiben?
Zu allererst: nicht verzweifeln. Ich bin überzeugt davon, dass es immer irgendwie weiter geht. Auch mir sind in der Vergangenheit immer mal wieder große Kunden weggebrochen und haben ein erhebliches Umsatzloch hinterlassen – es sind aber auch neue Kunden hinzugekommen, die das Loch wieder gestopft haben. Manchmal hat das ein bisschen gedauert, aber ich war nie ganz am Boden. Ich habe aber auch immer was getan!
Was können Sie also tun, wenn Sie gerade unfreiwillig Däumchen drehen? Das Gute daran: Sie haben Zeit! Und diese Zeit sollten Sie sinnvoll nutzen:
- Spezialisierung. Je kleiner Ihre Nische und je besser Sie in dieser Nische sind, desto geringer Ihre Konkurrenz und desto weniger sind Sie ersetzbar und desto wertvoller sind Sie für den Kunden. Gut, nur noch für wenige Kunden, aber in dem Fall reichen die ja. Ganz, ganz oft geht es eben nicht um den Preis, sondern darum, jemanden zu finden, der in seinem Fach richtig gut ist und selbstständig und zuverlässig arbeitet. Nur dann nimmt der Dienstleister dem Kunden auch wirklich Arbeit ab und ist sein Geld wert. Ich bin sicherlich nicht die Einzige, die lieber mehr zahlt und sich keine Gedanken um die Erledigung des Auftrages machen muss als weniger zu zahlen und Nerven zu investieren.
- Diversifikation. Es muss ja nicht nur Übersetzen sein! Es gibt so viele verwandte Tätigkeiten, die Sie ausüben können: Korrekturlesen, Lektorat, Texten … Was liegt Ihnen? Worin können Sie sich weiterbilden?
- Marketing. Wenn Sie bereits eine Website haben, gibt es daran sicherlich etwas zu überarbeiten; jede Änderung der Texte wird von Google wohlwollend betrachtet und bringt Sie nach vorne. Machen Sie sich über SEO schlau und ergreifen Sie entsprechende Maßnahmen. Haben Sie noch keine Website, wird es Zeit, sich darum zu kümmern. Natürlich sollten Sie die machen lassen und das kostet Geld, aber bis dahin können Sie sich überlegen, wie Ihr Internetauftritt aussehen soll und welche Unterseiten Sie möchten, und Sie können die Texte erstellen und Fotos heraussuchen (oder aufnehmen). Oder Sie legen sich ein Blog an und schreiben über Ihr Fachgebiet oder erstellen einen Flyer als PDF, den Sie an potenziell interessierte Unternehmen senden … Auch Ihr CV hat sicherlich eine Auffrischung verdient! Es gibt immer so viel zu tun.
- Netzwerken. Übersetzer, deren Website gut zu finden ist, erhalten am laufenden Meter Anfragen, die schlicht nichts für einen selbst sind, einfach, weil sich kaum ein Suchender die Mühe macht, die Texte auf der Website auch zu lesen. Und wenn diese Übersetzer dann jemanden wissen, für den der Auftrag perfekt wäre, können sie ihn weiterempfehlen. Ergo müssen andere Übersetzer wissen, welche Sprachen und Fachgebiete Sie bedienen! Und das geht am besten beim Netzwerken. Immer im Gespräch bleiben, sei es online oder im realen Leben. Es ist ein Geben und Nehmen.
- Coaching. Kostet natürlich, aber wenn Sie noch flüssig sind, lohnt sich die Investition. Lassen Sie sich den Kopf zurechtrücken, auf neue Ideen bringen, finden Sie Ihre verborgenen Stärken! Es kann wirklich nie schaden, jemanden zu haben, der einen an die Hand nimmt oder einen Schubs in die richtige Richtung gibt. Denn Sie müssen etwas ändern – wenn Ihre Methode bisher nicht funktioniert hat, wird sie das auch in der Zukunft nicht tun.
Wie beuge ich einer existenzbedrohenden Flaute vor?
- Akquise. All die oben genannten Maßnahmen ergreift man im Idealfall nicht erst, wenn das Kind im Brunnen liegt, sondern laufend. Immerhin kann man nie genug Anfragen, Aufträge und Kunden haben, oder? Alles, was zu viel ist, kann man ja weiterreichen, und schon hat wieder jemand was davon.
- Vorsorgen. Eine Flaute ist viel besser auszuhalten, wenn man Ersparnisse hat. Geben Sie also in guten Zeiten nicht alles aus, sondern legen Sie konsequent Geld zurück! Entweder Sie überweisen rund 30 % jeder Einnahme auf ein Tagesgeldkonto, oder Sie überweisen sich selbst ein monatliches Gehalt vom Geschäfts- auf das private Girokonto, und was danach auf dem Geschäftskonto bleibt, wird nicht angerührt. Auch nicht in super-guten Monaten! Es müssen immer Rücklagen da sein für die abzuführende Umsatzsteuer, eventuelle Einkommensteuernachzahlungen, die kaputte Waschmaschine – und eben für die Flaute. Diese Rücklage muss ausreichen, um drei Monate davon leben können. Brauchen Sie das Geld lange nicht und es wird immer mehr, lohnt sich auch eine langfristige Anlage für die Rente (ich hab’s zurzeit total mit ETFs), aber um die drei Monats„gehälter“ sollten so gelagert werden, dass Sie jederzeit darauf zurückgreifen können.
- Passives Einkommen. Geld, das reinkommt, ohne dass man im Moment dafür arbeiten muss, ist immer gut. Tantiemen zum Beispiel sind toll 😊 Mit dem Schreiben von „Überleben als Übersetzer“ habe ich in einer Flaute begonnen und hab seit fast acht Jahren was davon. Vielleicht haben Sie eine Buchidee, die Sie umsetzen können – muss ja nichts mit Übersetzen zu tun haben! Heutzutage braucht man ja keinen Verlag mehr, Selfpublishing rocks. Klar muss man im Moment des Schreibens arbeiten, aber nach Veröffentlichung kommt mehr oder weniger langfristig und regelmäßig Geld rein – auch wenn Sie mal krank sein sollten. Vielleicht haben Sie auch andere Ideen, so wie ich mit meinem Musterübersetzungs-Shop oder mit dem Service für Buchübersetzungen ins Englische; trauen Sie sich! Viel zu verlieren hat man in der Flaute ja nicht.
Damit es gar nicht so weit kommt:
Antworten Sie zeitnah auf Anfragen! Es ist im Zeitalter des mobilen Internets und der Smartphones nicht akzeptabel, länger als eine Stunde auf eine Antwort auf eine Anfrage warten zu müssen (zumindest nicht an Werktagen zwischen 9 und 17 Uhr). Wenn Sie gerade unterwegs sind und kein Angebot erstellen könne, schicken Sie wenigstens eine kurze E-Mail, dass Sie sich in Kürze melden werden! Sonst geht der Auftrag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an eine Kollegin, die die technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts besser nutzen kann.
Halten Sie Deadlines ein! Immer. Liefern Sie, wenn möglich, etwas früher, aber nicht viel zu früh, damit es nicht aussieht, als hätten Sie geschludert. Aber liefern Sie auf gar keinen Fall jemals auch nur eine Minute zu spät!
Lassen Sie Ihre Texte Korrektur lesen. Zumindest bei Direktkunden; bei Agenturen ist die Agentur für das Korrekturlesen zuständig. Liefern Sie niemals, wirklich niemals einen übersetzen Text an einen Direktkunden, ohne dass dieser von einem zweiten Augenpaar gesehen wurde. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Direktkunde Ihnen treu bleibt, ungemein.
Kunden halten Sie am besten, wenn Sie nicht austauschbar sind, und nicht austauschbar sind Sie immer dann, wenn Sie etwas bieten, was andere nicht bieten: Fachkompetenz, Zuverlässigkeit, Professionalität, Freundlichkeit, Erreichbarkeit usw. Dann können Sie auch entsprechende Preise durchsetzen. Bieten Sie nur das, was alle anderen auch bieten, werden Sie keinen Kunden davon überzeugen können, dass er Ihnen mehr zahlen soll als der Konkurrenz. Wer mehr Geld haben möchte, muss auch mehr bieten!
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern tolle Aufträge von tollen Kunden 😊
Marta Pagans meint
Vielen herzlichen Dank für diese sehr hilfreichen Tipps! Ich mache das Beste aus diesen bizarren Zeiten, indem ich mich in SEO-Sachen weiterbilde, viel netzwerke und, so wie gerade eben, auf Social Media und Blogs fleißig kommentiere. :·)