„Gerne erstelle ich Ihnen ein unverbindliches Angebot“, so steht es auf vielen Internetseiten, nicht nur von Übersetzern. Doch was bedeutet das eigentlich? Wenn ein Angebot unverbindlich ist, dann ist es nicht bindend, d. h. man geht keine Verpflichtung damit ein. Wenn ich z. B. ein tolles Haus sehe und überlege, es zu kaufen, kann ich ein unverbindliches Angebot einreichen. Unverbindlich bedeutet hier: Wird dieses Angebot von der Gegenseite angenommen, bedeutet das nicht, dass ich das Haus gekauft habe oder kaufen muss. Ich kann es mir dann immer noch anders überlegen und mein Angebot zurückziehen, ohne Konsequenzen für mich.
Wenn ein Bauunternehmer um ein Angebot für den Bau eines Einfamilienhauses gebeten wird, ist dieses Angebot weniger unverbindlich als vielmehr freibleibend: Bei einem Hausbau kommt es immer wieder zu unvorhersehbaren Kosten, die der Bauunternehmer nicht zu verantworten hat, weshalb er sich logischerweise nicht auf einen Fixpreis festlegen wird. Dann muss das Angebot im Nachhinein angepasst werden.
Wenn eine Übersetzerin hingegen mit einem „unverbindlichen Angebot“ wirbt, frage ich mich grundsätzlich zuerst, ob das bedeutet, dass sie sich nicht an ihr Angebot halten muss, wenn der Kunde es annimmt. Steht der genaue Textumfang oder die Textsorte noch nicht fest, sehe ich ja ein, dass kein verbindliches Angebot abgegeben werden kann – die meisten von uns werden ohne diese Informationen allerdings gar kein Angebot abgeben. Sind ausreichend Informationen vorhanden, um ein Angebot abgeben zu können (sei es als Pauschal- oder Wort-/Zeilenpreis), dann frage ich mich schon, inwieweit dieses Angebot dann unverbindlich sein sollte. Wozu bitte ich als Kunde überhaupt um ein Angebot, wenn dieses bei Auftragserteilung womöglich gar nicht mehr existiert? Und warum werbe ich als Übersetzerin damit, dass meine Angebote nichts wert sind, weil sie sich jederzeit ändern können?
Jetzt werden Sie argumentieren: Ja, aber damit ist doch gemeint, dass das Angebot für den Kunden unverbindlich ist.
Schon klar. Aber was bedeutet denn das nun schon wieder? Dass der Kunde mit der Frage nach einem Angebot keinen Auftrag erteilt? Das dürfte auch bei einem verbindlichen Angebot klar sein. Dass die Angebotserstellung nichts kostet? Auch dabei kommt es nicht drauf an, ob das Angebot unverbindlich oder verbindlich ist. Bei manchen Berufsgruppen ist die Angebotserstellung so aufwendig, dass sie was kostet, bei anderen nicht. Egal, ob Sie für ein Angebot bezahlen oder nicht – so oder so sind Sie nicht verpflichtet, diesem Angebot einen Auftrag folgen zu lassen.
Fazit: Schreiben Sie „Alle Angebote freibleibend“ oder „unter Vorbehalt“, wenn Sie damit sagen wollen, dass Sie nicht verpflichtet sind, die Übersetzung zu exakt dem im Angebot angegebenen Preis durchzuführen – das ist gar nicht so unwichtig, falls Ihnen beispielsweise ein anderer Auftrag oder ein krankes Kind dazwischen kommt. Sie können auch eine Frist setzen, wie lange Sie sich an das Angebot binden – Angebot gilt nur bis heute 17 Uhr, nur eine Woche usw. Schreiben Sie „kostenloses Angebot“, wenn ein Angebot den Kunden nichts kostet. Schreiben Sie „gerne erstelle ich Ihnen unverbindlich ein Angebot“, wenn Sie betonen möchten, dass der Kunde damit keine Verpflichtung eingeht (auch wenn das überflüssig ist). Aber erstellen Sie keine unverbindlichen Angebote. Die zweite Bedeutung von unverbindlich ist „kein besonderes Entgegenkommen zeigend“. Und wer will schon damit werben?
Jonathan Gautier meint
Hallo Miriam,
vielen Dank für diesen hilfreichen Blogbeitrag.
Was meinst du aber zu folgendem Text?
„Die Klausel „freibleibend“ ist eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass derjenige der ein rechtliches Angebot nach § 145 BGB abgibt an das Angebot auch gebunden ist. Der Zusatz bewirkt, dass sich die Person nicht an dem Angebot binden will. Vielmehr ist das abgegebene Angebot für den Empfänger als Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zu werten.
Allerdings ist ein freibleibendes Angebot nicht mit dem sogenannten „invitatio ad offerendum“ gleichzusetzten. Die Person besitzt bei einem freibleibenden Angebot eine Reaktionspflicht. Demnach ist sie verpflichtet auf ein ihm zugehendes Angebt unverzüglich zu reagieren. Unterlässt die Person dies, dann ist sein Schweigen rechtlich als eine konkludente Annahme zu werten. Es kommt ein wirksamer Vertrag zwischen den beiden Parteien zustande.
Daher wird ein freibleibendes Angebot auch oftmals als unverbindliches Angebot bezeichnet.“
Ist das dann nicht als einen Nachteil für uns freiberufliche Übersetzer anzusehen?
Liebe Grüße
Jonathan