Eigentlich habe ich Websites immer sehr gerne übersetzt – ich mag es, wenn meine Texte veröffentlicht werden. Am liebsten war es mir immer, wenn ich die Texte online eingeben konnte – so konnte ich das Ergebnis gleich sehen und Fehler, die sonst womöglich bei der Eingabe passieren, vermeiden bzw. sofort selbst korrigieren.
Leider birgt diese Art zu arbeiten zwei Risiken, wie ich unlängst schmerzhaft erfahren musste; fast 600 Euro hat mich diese Erkenntnis gekostet:
1. Der unklare Auftragsumfang. Wenn Sie ein Angebot für die Übersetzung einer Website erstellen sollen, fragen Sie unbedingt zuerst den Kunden, ob ihm die Texte als Word-Datei vorliegen. Es ist mir tatsächlich schon passiert, dass ich mir mit viel Mühe und Kopiererei ein Bild vom Textumfang und anschließend ein Angebot gemacht habe, um dann mit der Auftragsbestätigung die Texte als Word-Datei zugesendet zu bekommen. Bei übersichtlichen Websites können Sie die Texte einfach in eine Word-Datei kopieren und die Zeilen berechnen, bis zu einem gewissen Umfang läuft das unter Service – lassen Sie sich den Umfang dann aber unbedingt vom Kunden absegnen! Bei der Angebotserstellung ein paar Unterseiten zu übersehen, ist sicherlich jedem schon passiert, das Risiko habe ich immer mit einkalkuliert; wenn man sich den Textumfang jedoch nicht absegnen lässt und das Angebot mit einem „Für die Übersetzung der Website www.xxx.de würde ich Ihnen xxx Euro in Rechnung stellen“ macht, läuft man Gefahr, dass sich die Website im Zuge der Arbeiten oder zwischen Abschluss und Abnahme der Arbeit mal eben vergrößert; auf einmal sind Datensätze, Unterseiten oder auch Shop-Artikel hinzugekommen und Sie können nicht nachweisen, dass diese bei der Angebotserstellung noch nicht da und somit auch nicht Bestandteil des Angebots waren. Und so haben Sie bei Ihren Angebot mit 1000 Zeilen kalkuliert und dann vergehen zwei Wochen bis zur Annahme des Angebots und dann drei Wochen bis zur Fertigstellung und dann noch sechs Wochen, bis der Kunde endlich auf die zweite Mahnung reagiert und bis dahin besteht die Website plötzlich aus 2000 Zeilen, Ihnen wird vorgeworfen, nur die Hälfte der Arbeiten erledigt zu haben und die Rechnung wird dementsprechend um 50 % gekürzt – und Sie können nichts dagegen machen.
2. Die fehlende Abnahme. Übersetzungen sind Werkleistungen und bedürfen somit der Abnahme (§640 BGB). Ohne die Abnahme haben Sie auch kein Recht auf Vergütung. Diese Abnahme kann stillschweigend durch vollständige Begleichung der Rechnung oder durch Nutzung der Texte erfolgen, z. B. wenn der Kunde in diesem Fall die Homepagetexte online stellt. Geben Sie die Texte hingegen selber online ein, gelten sie nicht automatisch als abgenommen. Stellt der Kunde sich also nach Rechnungstellung tot und reagiert erst sechs Wochen und zwei Mahnungen später mit dem Einwand, Sie hätten nur die Hälfte der Arbeit erledigt und Sie können nicht das Gegenteil beweisen, bleibt Ihnen nur, die Kürzung um 50 % hinzunehmen oder die zweite Hälfte der Arbeit noch mal eben für lau zu machen.
Schützen können Sie sich vor solchen üblen Erfahrungen, indem Sie a) den Arbeitsumfang ganz klar definieren und bestätigen lassen, b) die Texte nicht selber online eingeben (bzw. nicht ohne Vorkasse) und c) mit jedem Auftrag, den Sie erledigt abgeben, die förmliche Abnahme verlangen, und zwar mit Fristsetzung! So oder ähnlich: „Ich bitte um förmliche Abnahme der am … gelieferten Übersetzung bis zum xx.xx.xx. Sollten Sie diese Frist fruchtlos verstreichen lassen, so gehe ich unter Kaufleuten von einer erfolgten Abnahme aus.“ Alternativ kann dieser Passus auch in den AGB aufgenommen werden. Mehr zur Abnahme und den Folgen gibt es auch bei Wikipedia. Nach Ablauf der Frist gilt der Auftrag als abgenommen, ist zu vergüten, und wenn der Kunde dann noch reklamieren sollte, dass die Hälfte fehlt, muss er Ihnen das beweisen und Sie nicht mehr ihm, dass diese Hälfte ursprünglich gar nicht existiert hat.
Heiko meint
Hallo Frau Neidhardt,
ich kenne den Problemfall in ähnlicher Weise – bei Webseiten-Übersetzungen kommt immer die Anfrage mit der Bitte um Übersetzung und der Link zur entsprechenden Seite. Ich verfahre so, dass ich bei überschaubaren Seiten, also nicht Shop-Portalen oder ähnlichen die Textinhalte kopiere und darauf basierend Angebot erstelle. Um sich diese Arbeit aber zu sparen, empfiehlt es sich immer nach einer Word-Datei zu fragen, obwohl ich es auch manchmal erlebe, dass nach der Frage nach den Texten keine Reaktion mehr vom Kunden kommt. Also wirklich kein einfacher Fall.
Aber, der Hinweis mit der Abnahme ist wirklich sehr gut! Bislang bin ich glücklicherweise noch nicht in die Lage gekommen, und alle Kunden haben, wenn auch zuweilen nach einer Erinnerung, gezahlt. Dass eine Abnahme allerdings erforderlich (empfehlenswert) ist, war mir nicht bekannt. Danke für den Tipp!
Persönliche Anmerkung: Im beschriebenen Fall oben, mit der im nachhinein erhöhten Zeilenzahl, hätte ich aber dennoch beim Kunde telefonisch nachgehakt und den Sachverhalt erläutert und entsprechend Druck gemacht. Auch wenn ggf. formell bei der Angebotsstellung nicht alles bis ins Detail aufgeschlüsselt war, ließe sich die veranschlagte Ausgangszeilenzahl ja praktisch eindeutig nachweisen. Nun gut, im Nachhinein lässt es sich wohl einfacher sagen. Die Abnahme-Falle werde ich mir auf jeden Fall notieren.